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Ordnungen und Verluste

Symposium im Kontext der Ausstellung "get that balance" auf Kampnagel, Hamburg, Samstag, 20.04.2001

Konzeption und Realisation zusammen mit Studentinnen der HfbK Hamburg
siehe get that balance, Impressum

 

Ursula Biemann: Writing Desire

Ursula Biemanns Video "Writing Desire" könnte als zeitgemäße Antwort auf einen politisch motivierten Film gelesen werden. Das Video dreht sich um das Verhältnis von Schreiben, Begehren, Globalisierung, den Westen und den boomenden Internet-Brautmarkt in Schwellen- und Drittweltländern. In ihrem kommentierenden Vortrag ging sie von der These aus, daß romantisches Begehren durch das Schreiben erzeugt wird und sich mit dem Begehren in der Konsumkultur verknüpft. Der - exotische - Brautmarkt im Internet sei ein Ort der boomenden Kommer-zialisierung sexueller Beziehungen. Die "mail-order bride" gründe auf einer historischen Erzählung des weiblichen, ethnisch markierten Körpers als Objekt des Begehrens, das nur darauf wartet, erobert zu werden.
Erfreulicherweise aber können Frauen auf diesem Markt dank der neuen Möglichkeiten von gestreamten Videoclips ihre Begehren auch verbal zum Ausdruck bringen und widersetzen sich somit einem totalen Ausverkauf. Als Subjekte mit Begehren können sie nicht länger auf Objekte des Begehrens reduziert werden. Writing Desire sei schließlich der Versuch, die verschiedenen Schreibpositionen miteinander zu verbinden, ohne einen binären Kontrast aufzumachen zwischen weiblichen Subjekten in westlichen Gesellschaften, die aus Spass einen selbstreflektierten, psychoanalytischen, postmodernen Diskurs über Begehren und Sexualität führen und jenen, die in Existenznot ihre sexuellen, emotionalen und fürsorglichen Dienste anbieten, um aus den Slums zu kommen.

 

Beate Katz / F/s FilmArchivFrauen: Die subjektive Chronik

Aus einem von ihr fortgeführten Frauen-Film-Archiv stellte Beate Katz ihre "subjek-tive Chronik" der 70er und 80er Jahre vor. Katz begründete ihre Auswahl vor allem damit, daß sie an die Politisierung und Aufklärungsstrategien erinnern wolle, die sie zur Zeit marginalisiert sähe angesichts vieler, noch immer nicht eingelöster Emanzipationsansprüche. Deshalb wählte sie vor allem Fragmente, die ihre politischen Implikationen offenbarten. Allerdings erwiesen sich die eindeutigen Inhalte und die klaren emanzipatorischen Absichten der damaligen Filme-macherinnen - wie die Diskussionen zeigten - im Kontext von get that balance als ambivalent: Sie schienen im selben Moment überholt wie berührend, noch zutreffend.

 

Verena Kuni: GleichGewichtsProbleme. Gender Troubles beim Schreiben über Kunst

Verena Kuni versuchte ein Sprachspiel um das Hören und Überhören der ge-schlechtlichen Zuordnung im Kunstbetrieb. Das - nicht aussprechbare - große I, das in der Schrift beide Geschlechter zu umschließen versucht, war ihr Ausgangs-punkt. Ein großes I, das im Betrieb, in der offiziellen Kritik kaum hörbar ist - oder als leicht überhörbare Konzession an politische Korrektheit abgehandelt wird. Gegen diese Ausblendung verlangte Kuni, daß noch und gerade noch heute und jetzt das Geschlecht und die Markierungen durch das Geschlecht auch in der Kunstkritik benannt werden sollten.

 

Christine Lemke, Rahel Puffert: Vom Verschwinden in der neuen Mitte.

Rahel Puffert und Christine Lemke teilten sich ihr Sujet beim Reden über das mehrdeutige "Verschwinden in der neuen Mitte". Ihr doppelter Vortrag entstand in Auseinandersetzung mit den im Ausstellungskonzept von "getthatbalance" formulierten Fragen und Anspruechen: "Wie wird gesellschaftliche und politische Eigenverantwortung (heute) angenommen und beantwortet? Wie ist Privates/Persoenliches und Oeffentliches/Gemeinsames konfiguriert? Ist das Private politisch oder privat oder ein Gemeinplatz?" In ihren Ueberlegungen dazu, bezogen Christine Lemke und Rahel Puffert sich auf eine an den ausgestellten Arbeiten beobachtete Gemeinsamkeit, die sie für "symptomatisch" hielten: "Die bei "get that balance" ausgestellten Arbeiten fielen durch ihre Konzentration auf Fragen der Identitaet, Fragen der Selbstrepraesentation und Biographiekonstruktion auf. Uns hat das aufgefordert, ueber den Hintergrund dieser Tendenz und deren(impliziten) Voraussetzungen nachzudenken. Und dieses besonders, weil wir in ihr Hinweise fuer ein sich aenderndes Verhaeltnis zwischen den Einzelnen und der Gesellschaft vermuten. Ist es ausreichend, dieses Verhaeltnis innerhalb einer "introspektiven Abkehr des einzelnen" oder einer "Politisierung des Privaten" zu beschreiben? Oder muessten die Kategorien privat/ oeffentlich ganz anders gedacht werden?

 

Ute Vorkoeper: Leicht komplizierte Balancen und unmögliche Vermittlungsversuche

Der Vortrag versuchte, in die Thesen, die Diskussionsprozesse und die Ansprüche von get that balance einzuführen und zu verdeutlichen, daß es sich bei dem Projekt weder um eine Themenausstellung noch um eine Leistungsschau von Kunst von Frauen der 90er Jahre handelt. Der Untertitel der ersten Episode - Ordnungen und Verluste - verweist auf Situationen und Ereignisse, in denen die Effekte von Ord-nung, von Macht, von Gesetzen, Verbindlichkeiten oder ihre Verluste, Verdrängung oder Abwehr erlebt und erfahren und dargestellt werden. Dabei scheint in der Kunst der 90er Jahre das Verständnis von Freiheit, Emanzipation und Involviertheit in die Welt verschoben: lustvolle Affirmation und verschwörerische Kritik treten an die Stelle von Abwehr und Aufklärung. Am Beispiel der Arbeiten von Pipilotti Rist und Tracey Emin ging Vorkoeper der Frage der Differenz und unterschiedlichen Potentiale der Konzeptionen von "positiver Freiheit / Freiheit zu" und "negativer Freiheit / Freiheit von" angesichts liberaler Konsumkultur nach.

 


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